Mittwoch, 3. November 2010

Weder fair noch frei: Burmas Junta-Wahlplakate nur gegen Bargeld


Burmas "Wahlen": Weder fair noch frei


Die Karens, einer der fünf bewaffneten Allianz-Gruppierungen, welche den Kampf gegen die Junta aufnehmen.
Zusammen halten die verschiedensten ethnischen Kampfeinheiten ungefähr 40'000 Soldaten und sind vorab im Shan-State mit modernstem Kriegsgerät ausgerüstet. Dieser grenzt zu Laos und China. Hier wird auch das meiste Opium in Burma angebaut. Es gibt momentan drei verschiedene grosse Drogenbarone, darunter ein chinesischer Drogenzar. Er arbeitete mit den burmesischen Generälen zusammen. Hier befinden sich viele Raffinerien. Bei West-Wind müssen sich die Menschen und Tiere mit Masken schützen, um das reine Heroin nicht einzuatmen. Tier und Mensch würden eine toxische Vergiftung erleiden. Dennoch sterben jedes Jahr Kühe und Pferde, welche in der Nähe der Raffinerien grasen.

Sogar Wahlplakatte müssen mit Bargeld bezahlt werden

jonas m lanter

"Diese Wahlen sind ein Disaster", antwortet Saw U Min Shwe, ein älterer birmanischer Schriftsteller auf die Frage, was es mit den Wahlen vom 7. November auf sich habe, den ersten seit zwanzig Jahren. "Damals, im Mai 1990, herrschte hier Wahlfieber. Auf den Strassen sah man Menschen in orangefarbenen T-Shirts, sie trugen Hüte wie die Reisbauern", erinnert sich der Schriftsteller.

Der Hut war das Symbol der Nationalen Liga für Demokratie 'NLD', der Partei Aung San Suu Kyis, die als Oppositionsführerin damals wie heute unter Hausarrest steht.
Dieser Hut war auch dazumals das Symbol der NLD auf den Stimmzetteln. Die Partei gewann mit einer überwältigten Mehrheit von über 80 Prozent, doch die herrschenden Militärs liessen das Parlament nie zusammenkommen.
"Sie versuchten die Partei zu zerschlagen und ihre Führerin zu diffarmieren. Und genau diese Junta nimmt wieder den Anlauf, um deren Herrschaft zu legitimnieren.
Und dieses Mal soll gar nichts dazwischenkommen" sagt Saw U Min Shwe.

Das Disaster, das Saw Min Shwe meint, ist das Militär, welche diese; wie die Wahl vor 20 Jahren, in Szene setzt. Es wird heute repräsentiert durch General Than Shwe, dem Machthaber und Mörder, der für viele Burmesen die Verkörperung eines alles zerfleischendens humanens Lebens ist, eines Menschen verschlingenden Ungeheuers aus der Mythenwelt des Landes.

Aber auch das Wahlverfahren selbst ist monströs. Auf einen Schlag sind mehr als ein Dutzend Parlamente zu wählen: das Volksparlament, das ein wenig mit einem selbst beherrschenden Schweizerischen Bundesrat vergleichbar ist und 440 Sitze hat, dann das Nationenparlament, gewissermassen der Bundesrat, und schlussendlich noch 14 Parlamente für die sieben ethnischen Staaten und gleichvielen Divisionen.
Die Staaten werden von verschiedensten ethnischen Gruppierungen bewohnt, die Divisionen sind fest unter der Kontrolle des Regimes.
Und dazu gibt es noch ein Wahlrecht für Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen in abgeschotteten, teilweise autonomen Staaten. Sie können eine vierte Stimme abgeben.

"Ich verstehe selbst nicht alles, was diese Wahlen betrifft. Wie sollen es dann die einfachen Leute begreifen?", sagt ein Medizinprofessor, der zugibt, dass er die Wahlbestimmungen auch nicht genau studiert habe.
Klar ist, dass bereits ein Viertel aller Sitze an Angehörige des Militärs vergeben sind. So gebietet es die Verfassung, die im Mai 2008, kurz nach dem verheerenden Zyklon Nargis, durch ein Referendum angenommen wurde. offiziell mit fast 100 Prozent. Bei ihren Gegnern heisst sie seitdem "Nargis-Verfassung". Sie ist ein weiteres Instrument, welches das Militär hervorgebracht hat, eine Katastrophe, wie auch der grosse Sturm.

Es ist eine Mischung aus Unkenntnis, Furcht und traditionellem Desinteresse an allem Politischen. Die verbleibenden 20 Prozent sind entweder überhaupt dagegen oder sie treten dafür ein, zur Wahl zu gehen. Man kann das für zwei Strategien halten, dem brutalen, menschenverachtenden Militär den Kampf anzusagen.

Saw U Min Swe wird nicht wählen, da die Wahl von den Machthabern nicht nur zu einem Viertel, sondern schon zu fast 100 Prozent vorherbestimmt sei.

Was da stattfinde, sei eine Schande und eine Show für die Weltöffentlichkeit!
Viele andere werden nur wählen, weil sie sonst Nachteile befürchten. Es gibt zwar keine Pflicht, doch der Geheimdienst ist allgegenwärtig.
Die staatlich gelenkten Medien propagieren die Wahl als eine Entscheidung für das Wohl einer "neuen demokratischen Nation" und gegen die aus dem Ausland gesteuerten "destruktiven Elemente des Bösen".
Das richtet sich gegen Daw Aung San Suu Kyi und die NLD. Die Partei erklärt die Verfassung für undemokratisch. Daher hat sie sich nicht für die Wahlen registrieren lassen. Somit existiert sie offiziell nicht mehr. Aung San Suu Kyi hat durch einen Sprecher aus dem Hausarrest heraus erklären lassen, sie würde unter diesen Umständen auch dann ihre Stimme nicht abgeben, wenn sie wählen dürfte.


Damit ist sie die Symbolfigur einer Kampagne, die in vielen Städten für einen Boykott wirbt, etwa mit auf Wänden geschriebenen Slogans und mit eigens gedruckten T-Shirts.
Andere meinen, dass sich die Regierung wie schon vor zwanzig Jahren verrechnen würde. Die neue Partei mit dem Löwen hat den Namen einer Massenorganisation übernommen, die vor Jahrzehnten von den Machthabern gegründet wurde. Diese Organisation ist verhasst, seit ihre Mitglieder vor drei Jahren bei der Niederschlagung der 'Safran'-Revolution mitgewirkt haben. Selbst wenn einzelne Kandidaten angesehen seien und sich durch den Bau von Strassen und Schulen beliebt machen wollten: Die Partei sei gänzlich unten durch!

Dasselbe gilt für das Löwensymbol, das alle Büros der staatlichen Verwaltung ziert. Diese Partei zu wählen dürfte den meisten nicht in den Sinn kommen.
Die etwa 30 bis 40 registrierten kleineren demokratischen Parteien könnten,
so hoffen Optimisten, bis zu 40 Prozent der Sitze bekommen und so eine starke Opposition bilden.
Damit wäre die Junta zwar noch lange nicht besiegt, doch es hätte an Macht verloren. Es könnte sich langsam zu einer vielfältigen, zivileren Gesellschaft entwickeln.
Ob das eintritt, wird sich nach dem 7. November zeigen - etwa im Jahr 2015.


Dann stehen die nächsten Wahlen an.


2nd November 2010